Am 27. August 2015 fahren wir nach 35 Tagen Frachtschiffreise in Montevideo von der Grande Amburgo. Beim grossen Leuchtturm
finden wir einen schönen Stellplatz unmittelbar vor der grossen Meereszeremonie und lassen bei den wechselnden Farben des Sonnenunterganges nochmals Revue passieren. Gemeinsam stossen wir mit
unseren liebgewonnenen Mitreisenden mit einem kühl, perlenden Drink auf das Erlebte und noch Kommende an.
Heute vor
mehr als einem Monat, am 24. Juli 2015 beginnt in Hamburg beim Schuppen 48 unsere Frachtschiffreise. Bereits im Wohnmobilhafen, wo wir die letzte Nacht an Land verbringen, treffen wir auf 4
weitere Glückliche mit Ziel Montevideo, die wie wir ebenfalls über den grossen Teich schippern. 2 weitere warten vor dem Zollgebäude. Rasch erfolgen die Zoll- und Passagierformalitäten und wir
passieren zu sechst das grosse Einfahrtstor.
Hier steht sie schon, stolz und mächtig in weiss-gelb und erwartet uns: die Grande Amburgo, welche für die
nächsten Wochen unser neues Zuhause sein wird.
Schiffsdaten Grande Amburgo:
- Ro-Ro Combi Cargo Schiff, (Roll on – Roll off)
- fährt unter italienischer Flagge der Grimaldi-Line
- Jahrgang 2003, Grösse: 214 x 32 Meter, 24‘900 PS,
- verbraucht 54 Tonnen Schweröl pro Tag,
- Motordrehzahl 800 PRM, max. Speed 33 kmh
- beherbergt 31 Personen Besatzung und 10 Passagiere
Nach einer kurzen Wartezeit manövrieren wir unsere fahrbaren Appartements
über die grosse Schiffsrampe hinauf aufs Deck 6. Festgezurrt und gut gesichert verbringen unsere
Mobile in Gesellschaft von grossen Bau-, Holzbearbeitungs- und Erntemaschinen die nächsten 4-5 Wochen.
Giovanni unsere gute „Fee und Ansprechperson“, Kammerdiener und Chef de Service begrüsst uns mit einem freundlichen Buongiorno und begleitet uns sofort zu unserer Aussen-Kabine.
Auf Deck 12 beziehen wir unser Doppelzimmer, schön hell mit einem Fenster zum Öffnen, eigener Dusche/WC, Kühlschrank und genügend Stauraum.
Bei sonnig angenehmen Temperaturen begrüsst uns der Kapitän und der 1. Offizier persönlich auf der Brücke Deck 13 und heisst uns herzlich willkommen. Wir dürfen jederzeit vorbeischauen und die Sicht von oben geniessen, einfach beim Manövrieren dürfen wir nicht im Wege stehen und die Arbeiten behindern.
Die Sicht auf Hamburg ist grandios. Voller Erwartungen mit Kribbeln im Bauch freuen wir uns auf das Kommende. Leinen los und Schiff ahoi! Langsam gleitet das Schiff über die Elbe entlang der Touristenmeile. Mit Gruss und italienischer Landeshymne werden wir in Wedel bei der Schiffsgebrüssungsanlage mit gehissten Fahnen und Nebelhorn auf die Reise geschickt.
Ab sofort sind wir Unterwegs mit den
Giganten der Meere und begegnen der Hamburg Süd, MSC, Maersk Line und wie sie alle heissen und kreuzen sogar unsere Schwesternschiffe der Grimaldi-Line, beladen mit zig Container, die
Schiffsbäuche voll mit Autos, Tonnen von Säcken Soja, Kaffee und sonstigen Gütern.
Der Reiseplan und die angelaufene Häfen präsentieren sich wie folgt:
|
Ankunft |
Abfahrt |
Hamburg |
|
24.07.2015 |
Tilbury GB |
26.07.2015 |
28.07.2015 |
Antwerpen NL |
28.07.2015 |
30.07.2015 |
Kanarische Inseln: Lanzarote und Fuerteventura |
Passieren wir am 02.08.2015 |
|
Dakar SENEGAL |
05.08.2015 |
06.08.2015 |
Über den Atlantik Überqueren Äquator |
06.08.2015
09.08.2015, 09.00 Uhr |
13.08.2015 |
Vitoria BRASIL |
13.08.2015 |
14.08.2015 |
Rio de Janeiro BRASIL |
15.08.2015 |
16.08.2015 |
Santos BRASIL |
16.08.2015 |
17.08.2015 |
Warten vor Einfahrt nach Zarate vor Montevideo |
20.08.2015 |
23.08.2015 |
Zarate |
23.08.2015 |
25.08.2015 |
Montevideo |
26.08.2015 |
26.08.2015 |
Fahren von Bord |
27.08.2015 |
|
Zurückgelegte Entfernungen:
Hamburg – Dakar ca. 5885 km
Dakar – Montevideo 7‘915 km
Total ca. km 13‘800
Welches Glück haben wir mit unseren Mitreisenden. Eine aufgestellte, spassige und tolle Truppe von weiteren 8 Passagieren begleiten und reisen mit uns bis Montevideo.
Cathrine und Philippe aus Frankreich,
mit Renault LKW steigen in Antwerpen zu
Anke und Andreas aus DE, 30 km von Hamburg, mit VW-MAN
Angelika und Peter aus dem Münsterland DE, mit Mercedes 1017
Regula und Jörg aus Schwellbrunn CH, schon 2 Jahre unterwegs, mit VW-Bus LT28
Sie bereichern unseren Schiffsalltag sehr und gestalten diesen so kurzweilig, unterhaltsam und interessant, dass die Zeiten jeweils wie im Flug vergehen. Wir diskutieren über Reisepläne, tauschen Koordinaten, Fotos und Reiseinfos und geniessen die gemeinsame Zeit und haben’s richtig spassig miteinander.
Viel zu lachen gibt auch
die deutsche Sprache, schwere Sprache: wir stellen fest, dass ein Schleckstengel ein Lutscher ist und halbinüni schwierig auszusprechen ist für
unsere deutschen Mitreisenden. So fehlen uns ab und zu die korrekten Worte und es entstehen neu-deutsche-Wörter!
Tagesablauf und Schiffsalltag:
Die Informationen betreffend Sicherheit an Bord, Evakuierung,
Beachtung der Notruf-Signale, wie Mann/Frau eine Warnweste, Helm und Schutzanzug in rot stylistisch richtig trägt, haben wir mit Bravour bestanden. Jetzt geht’s also zum gemütlichen
Teil:
Der jeweils lauthals singende Koch Giuseppe „Pavarotti“ und seine Küchencrew verwöhnen uns mit italienische Köstlichkeiten. Mittags und Abends mit je 4 Gängen!
Die fixen Essenszeiten sind ein bisschen wie im Internat und verlangen strickte Einhaltung:
Frühstück ab 07.30 – 09.00
Mittagessen 11.00 – 11.45
Abendessen 18.00 – 18.45
Auf dem Menuplan stehen variabel:
1. Vorspeise: Suppe, Spaghetti/Pasta auf alle erdenklichen Varianten oder Antipastiteller,
2. Vorspeise: Fisch oder Pasta,
3. Hauptgang: Voressen, Plätzli, Poulet, grilliertes Fleisch, Wienerschnitzel, Hamburger abwechselnd mit Pommes, Gemüse, Salat oder Tomaten. Natürlich alles selbstgemacht. Dazu ein feines Schöpplein Roten oder Weissen. Samstagabend gibt’s als Wochenhit: feine Pizzas wie beim Italiener.
4. Zur Nachspeise gibt‘s immer eine Frucht und ab und zu Käse. Einmal pro Woche für die Naschkatzen/-kater hält der Gefrierer sogar Schoggi-, Haselnuss- oder Vanilleglace bereit.
Hui,
die Befürchtung nach Beendigung der Schiffsfahrt 5 kg mehr auf die Waage zu bringen, wird sich wohl erst später zeigen.
Sportliche Betätigung ist somit gefragt, um den nahrhaften Kilos entgegenzuwirken: in der „Folterkammer hinten links“ befindet sich ein
Laufband, zwei Velos und ein Rudergerät! Radeln, rudern und rennen, so viele Kilometer und doch kommt man nicht vom Fleck, wie ärgerlich!
Unsere Freizeitaktivitäten bestehen aus:
Dem Studium der Karten, der Routenplanung, in Reisebüchern die Highlights sichten, lesen sowie die enthaltenen Kriminalfälle lösen. In der kleinen schiffseigenen Bibliothek können wir uns dazu spannende Bücher ausleihen. Wir vertiefen unsere Spanischkenntnisse und ein Fussballmatch am Döggelikasten darf auch nicht fehlen. Wir gegen die Anderen oder die Crew gegen uns. Die Karaoke-Maschine findet nur bei Dreien Anklang, der Rest will nur in der Badewanne singen! Zur Entspannung gehört gemütliches Spazieren auf Deck und dösen und sonnen auf der windgeschützten Sonnenterasse. Das Abendprogramm gestalten wir oft mit Kartenspielen. Ein Hand-Jass mit Schweizer Karten, Tschau Sepp, Skypo, Uno und Hornochse dürfen da nicht fehlen. Wir erlernen verblüffende Kartentricks und energieströmende Experimente. Unser Gemeinschaftswerk, ein 1500 teiliges Puzzle verwandelt sich nach und nach zu einem schönen Bild.
Ein weiterer Zeitvertreib sind die
erhaltenen Reiseberichte von Albert und Madeleine sowie Uta und Franz, welche unsere Vorfreude auf die Länder Südamerikas unglaublich bereichern und steigern. Sie schreiben so spannend,
kurzweilig und amüsant, dass wir uns schon fast dort befinden.
Alle paar Tage orientiert uns die Stimme aus dem Lautsprecher, dass die Uhren wieder um 1 Stunde nach hinten gestellt
werden und wir somit wieder eine Stunde geschenkt kriegen und länger schlafen können! Die Zeitverschiebung
Schweiz – Montevideo beträgt schlussendlich 5 Stunden.
Bei einer Besichtigung der Schiffsdecks staunen wir nicht schlecht über die geladenen Güter. Auf mehreren Schiffsdecks sind mehr als 1300 Autos der Marken Mini, Volvo, Porsche, Audi, Renault, Range Rover, Fiat akribisch geparkt. Die neusten und teilweise noch unbekannten Modelle fürs kommende Jahr stehen wohl schon hier.
Bahnwagen
für eine südamerikanische Metrostation, voraussichtlich Argentinien, stehen neben grossen Baummaschinen. Traktoren, Erntemaschinen neben Bau- und Holzbearbeitungsmaschinen, Container neben
eingepackten grossen Ungetümen. Was da nicht alles rumsteht, da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich! Nur unser Aussendeck hat noch etwas Kapazität. Spätestens in Dakar wird sich dies
aber noch ändern und unser Schiff wird randvoll mit Container beladen!!
Eine Besichtigung der „Katakomben“ eines Frachters finden wir natürlich ebenso spannend wie die Kommandozentrale auf der Brücke. Der
Sicherheits-Chef ermöglicht uns den Zutritt in den lauten, grossen Maschinen-, und Motorenraum; in die Steuerungszentrale des Elektroraumes wo sämtliche Apparaturen computergesteuert überwacht
werden und Auskunft über Ladung, Gewichtsverteilung, Stromkapazität, Schweröl-Verbrauch, Wasser, Reisegeschwindigkeit und vieles mehr geben. Fast zuunterst im Schiffsbauch finden wir die langen
Seile und Taue aufgerollt auf grossen runden Metallrollen. Alle Räume befinden sich in gutem, sauberem und aufgeräumtem Zustand.
Städte erkunden: das Verlassen der Grande Amburgo gestaltet sich für uns Passagiere etwas schwierig, meist fehlen die Informationen wie
lange vor Ort geankert wird. Bis wann wir Freizeit „ausser Schiff“ erhalten und wann wir wieder ablegen. Und natürlich möchten wir die Orte lieber tagsüber als nachts erkunden. Ganz im Gegensatz
zur Besatzung. Bei den Matrosen steht natürlich weniger das Sigthseen bei Tag im Vordergrund; die nächtlichen Ausgänge sind da wohl eher gefragt. Dies ist auch verständlich, dauert so eine
„Arbeitsreise“ bis zu 6 Monaten!
Ganz klar: der Schiffsalltag für die Crew sieht daher nicht so relaxed und entspannt aus wie für uns: Schrubben, Wischen, Putzen. Grossflächig die Roststellen auf Deck 13 abschleifen. Boden, Wände und Geländer einen neuen Farbanstrich verpassen; Metall-Hacken und – Ösen ersetzen, elektrische Lampen kontrollieren, technische Geräte warten, Schwimmringe und Notsignale prüfen. (Und dies ohne strichcodefestgelegte Wartungsintervall-Kleber!)
An den
Häfen wird das aus- und beladen von Autos, Container und Fracht vorbereitet, koordiniert und überwacht. Damit keine fremden und „blinden Passagiere oder Langfinger“ Zutritt erhalten, den 24-Std.-
Security-Dienst sichergestellt. Insbesondere in Dakar gilt erhöhte, aufmerksame Stufe 2 ansonsten reicht Stufe 1. Unsere Mobile werden während diesen Zeiten bestens durch Crewmitglieder
überwacht, sodass wir beruhigt den Tag auf Deck und die Nacht im Schlafgemach verbringen können.
Auf der Brücke herrscht eine 24 Stunden-Schicht. Ständig sind 2 Diensthabende anwesend, die das Schiff pilotieren, navigieren, überwachen; Routen berechnen und mit modernsten GPS-Geräten und technischen Hilfsmitteln arbeiten. Parallel dazu werden die Routen auch noch von Hand auf die Seekarten in Papierformat übertragen. Die aktuelle Wettervorhersage erhält die Grande Amburgo über die schiffseigene Internetverbindung und nutzt zusätzlich Satelitenbilder. Fast im Minutentakt treffen zeit- und standort-bezogene Infos betreffend Wetterveränderungen ein. Unterstützung erhält die Crew bei Hafenein- und -ausfahrten, sowie in Tilbury und Antwerpen bei der Schleussenein- und -ausfahrt von den Lotsen und den Pilots.
Auf dem
Meer gibt’s sogar so etwas wie riesen grosse Parkplätze, dies sind Wartepositionen in einem abgesteckten Radius. „Die Grossen Giganten“ ankern, bis die Erlaubnis zur Weiterfahrt oder Einfahrt in
den Hafen vorliegt und uns der Pilot abholt. Nicht immer haben wir gleich freie Fahrt und so dauert es Stunde um Stunde oder Tage, wie z. Bsp. vor Montevideo mit Ziel Zarate!
Im Stellenbeschrieb für Matrosen und Kapitäne wird es wohl heissen: bringen Sie auf jeden Fall Geduld mit. Bleiben Sie standfest auch bei hohen Wellen zwischen null,
10 Meter oder mehr. Warten, sei es im oder vor dem Hafen stellt für Sie keine Krisensituation dar. Sie sind es gewohnt längere Zeit, wenn‘s sein muss
über Monate keinen Fuss an Land zu setzen. Bringen sie ihr eigenes Handy mit, damit die Komunikation mit den liebsten zu Hause oder wo auch immer erhalten bleibt. Sind sie ein Allrounder, dann
sind sie unser Mann. (Frauen habe ich keine gesehen)
In Tilbury und Antwerpen laden wir erstmals
Frachtcontainer auf unser unteres Vorderdeck. Wir staunen über das riesige Areal mit den zur Abholung bereitgestellten Autos, welche per Strickcode abgescannt werden und nach und nach im
Schiffsbauch verschwinden.
Tilbury
Antwerpen
Auf der Weiterfahrt, nach passieren der Kanarischen Inseln, sichten wir fliegende Fische und kleine schwarze und schwarz-weiss gefleckte
Delphine, die sich rundum wohl fühlen in der weissen Gischt.
Temperaturen: Während in Hamburg noch sommerliche Temperaturen herrschen, wechselt das Wetter ab England bis Antwerpen auf grau in grau
und die Temperaturen werden kühl und nasskalt. Richtung Afrika wird’s jedoch wärmer und wärmer und Dakar empfängt uns mit sonnigen feucht-warmen 30 Graden, bis Rio wird‘s sonnig und angenehm warm
bleiben und es ist Sommertenü-Wetter angesagt.
Dakar: ist ein
buntes fröhliches organisiertes Durcheinander. Die Hafenarbeiter erwarten uns bereits, obwohl es schon dunkel ist. Ob die wohl hier übernachten und Ihren Wohnsitz gleich um die Ecke im Container
haben? Oder ist es weil wir ev. Verspätung haben? Es sieht so aus, schnell noch das Abendgebet sprechen und bereit sind sie für die schwere Arbeit. In schwindelerregender Höhe balancieren sie auf
den Metallgeländern und klettern behände die Container rauf und runter. Zwischen dem Beladen kurz noch einige Sideups oder Liegestützen tätigen (die sportliche Betätigung fehlt ja) oder eine
Ruhepause mit einem kleinen Schwatz auf dem Container eingelegen. Sämtliche SUVA-geprüften Vorschriften gelten hier wohl nicht mehr!
Der Käpitän hat Gebutstag: er lässt sich nicht lumpen und lädt uns und die Crew zu einem gemeinsamen, feinen, ausgiebigen und feierlichen 8 gängigen Käptensdinner ein. Dies geniessen wir natürlich ausgiebig und wir gratulieren ihm herzlichst und singen Happy Birthday.
Am 9. August 2015, morgens 9 Uhr überqueren wir den Äquator. Gespannt verfolgen wir die Zahlen auf unserem GPS-Gerät, insbesondere jene welche von Nord auf Süd springt und just zu vorgenannter Zeit nur noch Nullen anzeigt, bevor der nördliche Breitengrad überquert wird und wir uns für längere Zeit nun im südlichen Breitengrad befinden.
Das omnipresente-äquatorial-Foto ist uns leider nicht ganz gelungen und so können wir das Ereignis der
fotografischen Nullen nicht genau dokumentieren, aber trotzdem so etwas wie Hochstimmung fühlen!
Dazu
gehört natürlich eine Äquatortaufe: für diejenigen, welche den Äquator erstmals überqueren hat Neptun
besonderes vorbereitet. Von der Crew sind es 4 Stück, von den Passagieren ebenfalls deren 4. Am sonnigen Nachmittag soll zu Ehren derer eine spezielle Zeremonie stattfinden. Im Aussenkorridor vor
der Küche unterhalb Deck 13 sitzen bereits die 4 Crewmitglieder voller Erwartung. In weiser Voraussicht und nicht sehr Erquickliches ahnend halten wir Passagiere uns mit sicherem Abstand etwas im
Hintergrund, insbesondere uns die Crewmitglieder von der Brüstung oberhalb der Küche Handzeichen geben.
Denn, die äquatorial-Taufe beginnt mit einem rasiermesserscharfen Schnitt quer über die „Friese“; glücklich sind jene welche bereits einen kurzen Schnitt haben, ansonsten ist spätestens hier der Anlass dazu! Das Ei des Kolumbus, eine weisse Sturzflut von Mehl, Neptuns Fischköpfe und viel Meeresflüssigkeit müssen sich die Begossenen gefallen lassen. Frei unter dem Motto „Alles Gute“ kommt von oben! Das anschliessende kühle Nass aus dem Wasserschlauch netzt dann nicht nur die 4 neuen Äquatorialen!!
Sternenhimmel und Horizont: Brasilien, Inseln
oder andere Länder, sehen wir erst in Küstennähe, wenn wir schätzungsweise näher als 10 km sind. Unser Schiff ist wie eine riesige schwimmende Insel, rundherum Wasser und
Meer, der Horizont reicht bis ans Ende der Welt. In klaren Nächten sind die Lichter von anderen Frachtern, Fischerbooten oder Küstenstädten besonders schön zu sehen. Und erst der
Sternenhimmel: so leuchtend klar und die Milchstrasse gut sichtbar, wie sonst nur in der Wüste. Wer Glück hat und eine Sternschnuppe erhascht, kann sich einen Wunsch erfüllen, die Übrigen geben
sich mit einem fahrenden Sateliten zufrieden, der ganz rasch durch das Sternbild flitzt!
Auf dem
Weg nach Vitoria, in Brasiliens Küstennähe sichten wir erstmals sehr viele Wale. Sie springen, plantschen und zeigen uns Ihre Akrobatikkünste. Gegen Abend begleiten uns während 2 Stunden die
Flugakrobaten der Gattung Basstölpel.
Vitoria: von weitem im Dunst der Wolken sind bereits die
Skyline der Hochhäuser und die Küstenpromenade sichtbar. Im fast glasklaren türkisfarbigen Meer ankern noch weitere grosse Boote vor der Kulisse. Der Hafen befindet sich jedoch im Hinterland und
so shippern wir gemütlich unter der grossen Brücke durch vorbei an kleinen, farbigen Häuschen. Wir legen an und gemächlich beginnt der Ablad. Der grosse Hafenkran hat einen Defekt und so wird mit
unserem schiffseigenen Kranen abgeladen. Die Autotransporter warten schon geduldig in Reih und Glied. Die ganze Nacht herrscht emsiges Fahren, denn unsere geladenen fabrikneuen Audis verlassen
den Schiffsbauch, werden aufgeladen und an ein anderes für uns unbekanntes Domizil transportiert.
Rio de Janeiro: empfängt uns mit einem grandiosen Sonnenuntergang in einem orange leuchtenden Farbspektakel. Wir werfen noch kurz einen Blick Richtung
Ipanema und die Copacabana und fahren schlussendlich bei aufkommender Dunkelheit still und leise mit Sicht auf den beleuchteten Corcovado und den Zuckerhut in den Hafen; der Lotse bringt uns
zuverlässig an unseren Ankerplatz. Noch wissen wir nicht, dass die Stimmung am nächsten Tag noch zu toppen ist. Der Tag startet früh morgens um halb sechs mit einem bombastischen Sonnenaufgang!!
Während langsam die Lichter der Skyline erlöschen, färbt sich der Himmel von fast pinkrot über orange – gelb bis atlantikblau. Eine wunderbare Stimmung, welche sich zusätzlich noch im windstillen
Meer spiegelt. Durch die Nacht wurde unsere Schiffsfracht für diesen Hafen gelöscht und wir sind wieder startbereit. Die gemächliche Hafenausfahrt führt ganz nah an der Küste vorbei. Bei besten
Wetterbedingungen geniessen wir die grandiose Kulisse mit Sicht auf die schöne Stadt. Wir versuchen einen Blick auf die Schönheiten der Copacabana und Ipanema zu erhaschen; doch leider, wir sind
zu weit weg und mit dem Feldstecher sehen wir auch nicht klarer. Die Christusstatue auf dem Corcovado strahlt von oben eine erhabene Zuversicht aus und jene welche mit dem Flieger anreisen oder
wegfliegen sind auch schon wieder in der Luft. Die Fregattvögel nutzen die warme aufsteigende Luft unserer Amburgo und kreisen ohne Flügelschlag lautlos über uns. Dem verführerischen Charme
Brasiliens sind wir bereits verfallen. Hochstimmung bei uns Passagieren, zu wissen dass dieser Anblick auf Rio nur vom Schiff aus möglich ist und uns fast ganz alleine
gehört.
Grandioser Sonnenuntergang
Stimmungsvoller Sonnenaufgang
Echt was los in Rio
Santos: erreichen
wir schlafend Punkt Mitternacht. Benno als einzige Nachteule berichtet uns beim Zmorge von den riesig langen Hafenmolen, welche über 60 km lang sind. Auf den Lagerplätzen des grössten Hafens
Brasiliens arbeiten rund 150 Kräne und über 100 fahrbare Brücken. In den 60 Lagerräumen können fünf Millionen Säcke Kaffee untergebracht werden. Die Molen bieten gleichzeitig 65 Ozeandampfern
Platz, von denen 40 täglich mit Kaffee beladen werden können. Dazu gesellen sich noch jene, die Soja laden und entladen. Dies will ich mir natürlich bei der Ausfahrt nicht entgehen lassen. Wieder
ist es fast Mitternacht als wir die Mole verlassen. Geschäftiges Treiben auch mitten in der Nacht. Während mehr als einer Stunde passieren wir die Hafenausfahrt, fahren entlang mehrerer
Hafengebäude, Fabriken und Frachter die mit Soja befüllt werden. Säcke werden aus- und eingeladen, im Scheinwerferlicht der Hafenkräne dampft und stäubt es, sodass uns in der beleuchteten und
doch stillen Dunkelheit eine diffuse und etwas mystische Stimmung umweht. Die Strandpromenade, die Copa von Santos ist beleuchtet und belebt. Irgendwo findet eine Party statt, sogar wir hören die
Bässe der Musik. Wir ziehen weiter in die schwarze Nacht und auf das ruhige Meer.
Die Farben des Meeres:
wechseln seit Hamburg von grauschwarz auf dunkelblau, Richtung Brasilien wird’s immer heller und ein zartes azurblau wechselt sogar auf meine Lieblingsfarbe Türkis. Vor Buenos Aires ändert die
Farbe nochmals auf ein dreckiges braun und begleitet uns in den Kanal hinein nach Zarate und wieder zurück. Es ist der Rio Parana der bis weit ins Meer hinaus seine Farbe
prägt.
Zarate: Die Fahrt auf dem braunen, immer enger werdenden Rio Parana präsentiert uns kleine auf Stelzen stehende Häuschen am grün bewachsenen Ufer.
Grössere Villen und luxuriöse Ferien-Resorts beherbergen die etwas wohlhabendere Klientel. Immer wieder führt ein kleiner Kanal weg in dichtes Blätterwerk, der „Migroswagen“ ist
per Schiff unterwegs! Es ist Sonntag und die Argentinier geniessen die ersten frühlingshaften sonnigen Temperaturen draussen beim fischen, grillieren und campieren. Nicht alle Schiffe und
Frachter haben jedoch ihr Ziel wohlbehalten erreicht, bzw. wieder verlassen. Rostende, löchrige Wracks liegen am Ufer. Die gigantischen Frachtschiffe gleiten durch den Kanal, wie Gondoliere in
Venedig. Im Hafen hinten ist tote Hose; ruhig und nicht viel los. Ankerplätze nur deren 3. Der mit Autos befüllte Parkplatz jedoch ist riesig, abzulaufen zu Fuss würde wohl mind. 2 Stunden
dauern. 8 kleine grüne Papageien fliegen laut krähend und aufgebracht vorbei. Ebbe und Flut ist gut sichtbar und hat Auswirkungen bis hier hinten. Trotzdem ist der Rio Parana auf 600 km bis nach
Rosario mit Frachter schiffbar! Gegen Abend des 23. August kühlt es ab, ist windig und das Thermometer zeigt noch 10 Grad. Den 24. August verbringen wir bereits wieder draussen bei sonnig warmen
Temperaturen auf dem Oberdeck.
Winterstürme und ruhige See: nur 2 halbe Tage beunruhigt uns die See. Ansonsten hat Neptun das Zepter gut im Griff und das Wellenmeer
ist brav und uns wohlgesinnt. Von Seekrankheiten werden wir diesmal verschont. Selbstsicher wie ein Fels in der Brandung durchquert unsere Grande Amburgo ruhig und zuverlässig mit 25 bis 33 kmh
die Wasserwege von Europa bis Südamerika.
Kommunikation über eine Internet-Verbindung: ist während der Frachtschriffreise nicht möglich. Endlich einmal ohne negativen
Schlagzeilen, Sport-, Abstimmungsresultate, Börsenkurse und sonstige Nachrichten aus TV, 20minuten, Blickonline oder AZ am Sonntag! Trotzdem können‘s wir nicht lassen gleich nach der Ausschiffung
in Montevideo unsere eMails zu checken und haben uns riesig über die viele Post im elektronischen Briefkasten und auf Whatsup von euch gefreut.
Montevideo: die
Fahrt durch den Kanal des Rio Parana Richtung Buenos Aires nach Montevideo wird immer düsterer, der erste Regen, Gewitter, Blitz und Donner seit langem. Die Wellen und der Wind tosen durch das
braun gefärbte Meer. Nur ab und zu taucht der schwarze Kopf eines Seehundes aus den weissen, tanzenden Schaumkronen auf, er fühlt sich wohl und geniesst wohl das Rambazamba im Meer. Wieder einmal
warten und tümppeln wir langsam dahin, drehen uns sogar um die eigene Achse. Soll dies eine Freudenpiruette sein? Nein, eine Filmcrew kommt an Bord. Jetzt werden wir sogar Hollywoodstars! Zu früh
gefreut, Grimaldi dreht einen Werbefilm und die Stars sind nicht wir!
Endlich, die lang ersehnte Hafeneinfahrt liegt vor uns, wir geniessen den letzten Sonnenuntergang auf dem Schiff. Es ist
windig und kalt, trotzdem laufen wir wohl ein letztes Mal auf Deck 13 hin und her und versuchen den besten Blick auf die Stadt, den Hafen und die besten Ankerplätze zu erhaschen. Unsere
Frachtschiffreise geht zu Ende und etwas wehmütig verabschieden wir uns am nächsten Morgen bei der Crew und freuen uns aufs Land. Wir erhalten die Pässe mit dem Einreisestempel für 90 Tage Uruguay und der Grimaldi-Agent begleitet uns zur Zolleinfuhr, damit wir noch
die Papiere für unsere Automobile erhalten. Alles geht zügig, um zwölf Uhr mittags haben alle Passagiere ihre Dokumente und sind „vogelfrei“. Noch während wir vor dem Zollgebäude stehen verlässt
die Grande Amburgo Montevideo; ein letzter Gruss aus dem Nebelhorn und sie zieht von dannen.
Ab aufs Land......
Wir sind
seit ein paar Tagen hier zwischen Montevideo und Piriapolis und geniessen die infrastrukturiellen Annehmlichkeiten bei Heinz und Silvia vom Paraiso Suizo, die langen Spaziergänge am
menschenleeren kilometerlangen Sandstrand, die neue farbige und andere Vogelwelt, deren emsiges Treiben mit dem Nestbau, das frühlingshafte Wetter, die freundlichen gesprächigen Uruguayos,
praktizieren unser spärliches Spanisch und freuen uns neue Bekanntschaften zu schliessen. Aber dazu dann mehr im nächsten Reisebericht, hasta luego bis bald.